Zur Be-SINN-ung kommen – warum wir Unterbrechungen brauchen

Immer wieder ertappe ich mich in den letzten Wochen bei dem Satz: „Ist halt gerade viel los.“ oder auch: „Ich hab ja gewusst, dass die Zeit vor Weihnachten stressig wird.“
Ich bin zutiefst dankbar, dass mein Kalender gut gefüllt ist und Menschen es zu schätzen wissen, dass ich sie unterstütze und begleite.

Ich mag diese Hochleistungsphasen und doch … mir fehlt … ja was eigentlich?

Gerade sitze ich hier in einem Cafe und mein nächster Workshop startet bald. Ich genieße diese Unterbrechung im prall gefüllten Alltag und lasse einfach den Blick über Hamburgs Hafenviertel schweifen.

In Zeiten, in denen ich von Training zu Training, von Supervision zum Coaching fahre, Koffer und Materialtaschen neu zusammenpacke und mich innerlich vorbereite auf alles, was ansteht – genau in diesen Zeiten fehlen mir manchmal Momente des Innehaltens, der Be-Sinn-ung: Mit meinen Sinnen nochmals hören, nachspüren. Bilder, Worte, Gesichter in meinem Innersten vorbeiziehen zu lassen und dem Ganzen nach-Sinn-en.

So viele Kostbarkeiten in meinem Leben: Begegnungen. Bewegtheiten. Aha-Erlebnisse. Menschen, die ihren oft herausfordernden Alltag mit mir teilen. Impulse, die es für meine Kunden und Kundinnen leichter, klarer, gelassener werden lassen.

Das nach-Sinn-en lässt in mir Freude und Dankbarkeit aufsteigen, lässt mich spüren, wo noch ein Stück mehr Wirksamkeit mehr möglich gewesen wäre, lässt mich ruhig und geerdet werden, stiftet den SINN im Wirken.

Und das ist mein AHA: Ich brauche diese kleinen Unterbrechungen, um mich zu besinnen auf das Lächeln, das eine Kundin in ihrer Erleichterung gezeigt hat. Und die Erkenntnis, die in einem Team mehr Klarheit und Miteinander gestiftet hat. Und der Teilnehmer im Workshop, der gestärkter in seine schwierige Alltagssituation zurückgeht.

Wenn ich mich diese Momente erinnere, kommt auch mir ein Lächeln ins Gesicht. Ich lehne mich zurück, genieße diese Unterbrechung. Und spüre wie Tatendrang und Energie entsteht – und die Vorfreude auf alles, was heute noch ansteht.

Hineinspüren, hineinhören, hineinleben – drei Strategien, um mit Ambivalenzen gelassener umzugehen

Leben ist Spannung – oft zwischen zwei Polen, die unvereinbar erscheinen:

  • Für welchen Beruf soll ich mich entscheiden?
  • Will ich Kinder?
  • Soll ich den nächsten Karriereschritt machen oder möchte ich lieber mehr Zeit mit meiner Familie verbringen?
  • Will ich mich jetzt schon fest niederlassen, ein Haus kaufen – oder doch lieber unabhängig bleiben und die Welt bereisen?
  • Oder auch ganz einfach: Mach ich heute Sport oder lieber einen kuscheligen Sofa-Lese-Abend?
  • Ich habe heute Abend zwei Einladungen, welche nehme ich an?

Es gibt viele solcher Fragen, da hat wohl jede und jeder von uns seine und ihre Spezialitäten … gerade in unserer Zeit, die mit tausend Möglichkeiten lockt und uns permanent verspricht, dass alles irgendwie möglich ist.  Das macht Druck, es schaffen zu müssen – und löst bei vielen Unwohlsein, innere Spannungen, Stress und Ängste aus.

Bitte keine unguten Gefühle!

Doch genau das will ich ja vermeiden: Bitte keine solchen Gefühle, bitte keine Unsicherheiten, bitte keinen offenen Ausgang. Am liebsten schön klar und geordnet. Dann lieber abwarten, aussitzen, verharren. Oder doch nicht?

Ambivalenz bedeutet „doppelwertig“

„Life is a bitch!“ – dauernd setzt es mir neue Optionen vor die Nase, bringt mich in die verzwickte Lage, entscheiden zu müssen. Es versetzt mich sozusagen in Dauer-Ambivalenz.

Damit ist schon gesagt, worum es geht: Da sind zwei Werte, die mir beide wichtig sind. Etwas, worauf ich Wert lege, was mir auf beiden Seiten Erfüllung verspricht.

Und gleichzeitig erlebe ich die zweite Bedeutung des Wortes „Ambivalenz“, die heißt nämlich „zwiespältig“.  Ich spüre im Innersten genau, dass ich beide Werte nicht so einfach oder gar stressfrei miteinander verbinden kann. Dass Entscheidung auch immer heißt, dass ich das eine vom anderen scheiden muss.

Ambivalenz hat mit Gewinnen und Verlieren zu tun. Egal, welchem Wert ich den Vorzug gebe, ich werde meinem Leben etwas Erfüllendes hinzufügen. Und gleichzeitig hat jede Erfüllung einen Preis, trägt den Verlust des anderen in sich. Das eine erfüllt uns, das andere lässt uns trauern.

Wie gehe ich bloß mit dieser Ambivalenz um?

Zuerst einmal: Ich weiß selten wie Dinge ausgehen, ich kann ja nicht in die Zukunft sehen. Ich kann zwar jede Menge Positiv- und Negativlisten schreiben, Gewinne und Verluste einander gegenüberstellen – doch letztendlich ist der Ausgang einer Entscheidung immer ungewiss.

Dreimal „hinein“

So komme ich letztendlich nicht drumherum: Leben ereignet sich erst dann, wenn ich mich mitten hineinbegebe:

  • Hineinspüren

Wenn ich mich zwischen Sofa-Lese-Abend und sportlicher Aktivität entscheiden will, frage ich mich, warum ich eins von beiden möchte: Welches Bedürfnis erfüllt sich dann für mich?

Sofa-Lese-Abend: Entspannung genießen, mich erholen, regenerieren, Kreativität, neues Wissen …

Sportliche Aktivität: Power spüren, Kraft auftanken, mich gesund fühlen, stolz auf mich sein …

Und dann Check 1: Bei welchem Bedürfnis entspannt sich mein Körper und signalisiert mir ein klares JA?

  • Hineinhören
    Welche der beiden Seiten beschenkt mich mit Lebensqualität? Wobei fühle ich mich erfüllter, beglückter?

Und dann Check 2 – 10/10/10: Welche Entscheidung werde ich in 10 Minuten, in 10 Wochen, in 10 Monaten immer noch als erfüllend bewerten? (Wenn es um große Lebensentscheidungen geht, dann nehme ich gern noch die 10 Jahre hinzu 😊).

  • Hineinleben

Jetzt los, Erfahrungen machen – ohne Scham, schlechtes Gewissen, ohne Reue die Wahl ausleben, die sich mir eröffnet hat.

Und während ich im Tun bin, mache ich Check 3: Es spürt sich gut und richtig an, heute Abend auf dem Sofa zu bleiben? Dann genieße ich das in vollen Zügen.

Oder fühlt es sich so an, dass ich wohl doch dem inneren Schweinehund nachgegeben habe? Dann nehme ich das zur Kenntnis, geh beim nächsten Mal den anderen Pfad – und lass mich gern wieder von meinen Erfahrungen überraschen.

Meine Schlussfolgerung, wenn ich mal wieder durch bin durch den Ambivalenz-Parcours?
Es geht nicht um richtig und falsch, es geht um das Gespür für Lebensqualität und in Erfahrungen zu erleben, was mich wirklich erfüllt.

Höher, schneller, weiter! Wann bist du genug?

Immer wieder ertappe ich mich dabei, wie ich mir selbst in die Falle gehe, meist ganz unbewusst und unreflektiert: Hier könnte ich meine Laufstrecke noch ein wenig verbessern, da mein Gewicht noch um einige Kilos optimieren, dann wäre doch eine Weiterbildung noch wichtig, und ich muss unbedingt noch diese drei Bücher lesen, das neue Rezept ausprobieren, nicht so lange mit dem Handy rumspielen, endlich mal konsequenter Aufgaben erledigen, die Planungen für den nächsten Urlaub angehen, ein paar neue Dinge anschaffen, gern auch noch ein neues Hobby beginnen … Möglichkeiten zur Selbstoptimierung gibt es ja unendlich.

Mein ganzes Leben könnte ich damit zubringen, alles noch ein bisschen besser, noch ein Häppchen optimaler werden zu lassen.  Schließlich ist das doch der Sinn des Lebens, dass wir uns weiterentwickeln und uns zum Besseren zu entfalten, oder? Ja – und gleichzeitig will ich mich nicht ständig antreiben lassen. Das Ganze wirft Fragen auf.

Geht´s um Sein oder Schein?

Warum ist mir das wichtig? Warum will ich unbedingt noch „selbstoptimierter“ sein? Damit andere mich gut finden, damit sie mich bewundern? Damit sie mir Anerkennung geben und mein Ansehen hoch ist? Damit ich meine Likes erhöhen kann, wenn ich die Ergebnisse poste?
Dann muss ich halt immer mehr bieten, damit der Strom der Anerkennung nicht versiegt. Und zack: Das Hamsterrad dreht sich …  und das immer rasanter!

Vielleicht gehe ich die Dinge auch an, um mich in meiner Haut wohlzufühlen, um Freude und Genuss zu empfinden, weil ich Spaß am Experimentieren und an meiner Kreativität haben will, weil ich gern mein Wissen erweitere, Neues lerne, weil ich es mag, mit Menschen in Kontakt zu sein und gemeinsam neue Ideen zu verwirklichen – kurz und gut, weil es meine lebensbejahenden Bedürfnisse nährt.

Doch apropos Bedürfnisse – da stellt sich mir schon die nächste Frage:

Erfüllt es mich wirklich oder befriedigt es nur?

Natürlich brauche ich Anerkennung, ist ja ein menschliches Bedürfnis. Natürlich mag ich manches verbessern, Wachstum gehört zum Leben. Und doch macht es einen Unterschied, ob mich etwas erfüllt oder befriedigt. Für manche mag das gleich-gültig erscheinen, für mich steckt eine andere Erfahrungsqualität dahinter.  

Das Wort „Erfüllung“ bedeutet „voll machen“. Ich bin im Innersten berührt und ausgefüllt von einem Erlebnis, Ereignis, einer Begegnung. Diese Fülle lässt mich Freude, Gelassenheit, Lebensbejahung, Dankbarkeit empfinden und tankt mich mit Lebensenergie auf.

„Befriedigung“ steht für „beruhigen“: Die innere Spannung wird befriedet und damit ist die Unruhe, die mich umtreibt, für den Moment aufgehoben. Und wenn sie wiederkehrt, dann werde ich sie erneut beruhigen und bin dann wieder befriedigt – was sich zum Teufelskreis eines „Immer mehr davon“ ausweiten kann.

Am spürbarsten wird der Unterschied, wenn wir ihn in Sprache bringen: Hast du

  • einen Beruf, der dich erfüllt – oder einen, der dich befriedigt?
  • ein Hobby, das dich erfüllt – oder eines, das dich befriedigt?
  • Begegnungen mit Menschen, die dich erfüllen – oder nur befriedigen?
  • einen Urlaub erlebt, der dich erfüllt – oder einen, der dich einfach befriedigt?
  • Ein Zuhause, das dich erfüllt – oder eins, das dich befriedigt?

Höher, schneller, weiter – das ist seit langem die Grundmelodie unserer Gesellschaft. Doch hinterlässt diese Lebensart nicht eine Leere, die immer mehr vom Selben verlangt?

Echte Erfüllung? Finde ich weitaus öfter bei „tiefer – langsamer – präsenter“.

Ja, die Welt wird sich verändern! –
Ein Gastblog meines Kollegen Martin Bornemann

Da ist es nun doch – der harte Lockdown No 2! Ich muss zugeben: Ich hatte gedacht, dass wir diesen Schritt vermeiden können und die Vernunft über das Ignorieren der Wirklichkeit siegen würde. Aber nun zeigt sich: Die Einsicht und die Bereitschaft der Mehrheit, sich den aktuell bekannten Maßnahmen der Vermeidung zu beugen, hat nicht gereicht. Das Regime der Einfältigen und Ignoranten hat gewonnen und wird nun mittel kollektiver Einschränkungen „belohnt“.

Gerade die, denen es seit Wochen und Monaten klar war, dass ein erneuter Lockdown ihr bisheriges Tun in Gefahr bringen würde (ich sehe hier vor allem die Gastronomie und die Kultur und Kreativwirtschaft) haben sich zum allergrößten Teil an die vorgeschlagenen Maßnahmen gehalten, die Konzepte vollumfänglich in den Betrieben umgesetzt, um Kunden, Mitarbeiter und am Ende auch das eigenen Geschäftsmodell in die Zukunft zu bringen. All die Maßnahmen haben in den letzten Monaten Mittel und Energie gekostet. Und nun? Nun werden sie dafür gestraft, weil andere es nicht für nötig gehalten haben, sich und damit am Ende andere zu schützen.

Der Ruf nach Freiheit war so schön einfach. Aber kann mir bitte einmal jemand glaubhaft erklären, was eine Maske vor Mund und Nase an Freiheit einschränkt, wenn es die Wahrscheinlichkeit, den Anderen zu schützen, auch nur um wenige Prozentpunkte erhöht. Wenn das wirklich alles ist, wo genau liegt dann das Problem? Ja, auch ich habe mein Business weiter betrieben, habe versucht zu gestalten, wo Gestaltung gefragt war, hingehört, wo es nötig war, war Begleiter, wo Sorgen und Bedenken geteilt werden wollten. Das ich dabei alle mir zur Verfügung stehenden Maßnahmen aktiv genutzt habe, ist doch selbstverständlich. Mein Job ist es Impulse für die Zukunftsfähigkeit zu geben und definitiv nicht Menschen in Gefahr zu bringen.

Erschreckend, mit welchen Expertisen um uns herum gearbeitet wird, den eigenen Vorteil, das eigene Wohlbefinden in den Vordergrund zu stellen. Erstaunlich, wie oft aktuell gerade wieder die Werkzeuge der Vergangenheit als Allheilmittel angepriesen werden. Angepriesen als der alleinige Schlüssel, das Normal wiederherzustellen. Aber über welches Normal reden wir denn? Das Normal, das wir alle in den letzten Jahrzehnten des Wohlstands genossen haben? Was ein Irrtum zu glauben, dass wir da wieder ankommen werden, wenn wir nur möglichst schnell wieder die alten Schrauben mit dem alten Werkzeug drehen. Da missbrauchen sogenannte Querdenker diesen wertvollen Ansatz „Querdenken“, der doch seit langem als Grundhaltung für eine wertschöpfende Veränderung bei Vordenkern steht. Sie besetzen diesen Begriff für ihre Zwecke und haben die dahinter liegende Haltung nicht annähernd erfasst. Schade! Ist das eine Basis für einen Dialog, gemeinsam Zukunftsfähigkeit zu gestalten? Aus meiner Sicht klar und deutlich Nein! Vielleicht wäre es anders gewesen, wenn hier erkennbar wäre, dass der Polemik eine wertschaffende Haltung, etwas Eigenes, etwas Sinnhaftes zugrunde liegen würde. Vielleicht ist aber auch genau so gut und zeigt die wahren Kompetenzen, die Absichten, die Haltung, für die, die in der Lage sind, die Zusammenhänge zu erkennen.

Wir müssen als Gesellschaft lernen, neu zu denken. Wir müssen infrage stellen, was wir bis dato an Maßnahmen und Kriterien für wirtschaftlichen und persönlichen Erfolg angesetzt haben. Wir müssen hinterfragen, was es für die Zukunftsfähigkeit braucht und was es eben nicht mehr braucht. Das hört sich theoretisch so einfach an. Ist es aber nicht! Definitiv nicht!

Wir stellen doch gerade alle immer mehr fest, dass das eine nicht zum anderen passt. Das Verhalten, wie Egozentrik, nicht zu den Anforderungen der Wirklichkeit passt. Der Profit zu mir, die Verluste in die Allgemeinheit – das ist kein unternehmerisches Handeln und genauso zeitgemäß und zielführend, wie ohne Fallschirm aus dem Flugzeug zu springen und am Ende der Flugphase auf eine weiche Landung zu hoffen. Wie kommen eigentlich so viele immer noch darauf, dass immer jemand kommt, den schon lange erkennbaren Aufprall abzufedern?

Für mich ist das kein eigenverantwortliches und unternehmerisches Verhalten, sondern ein Abtauchen vor der Verantwortung. Es ist eigentlich ein Verhalten, dass mit dem Ende der Pubertät abgelegt sein sollte. Denn dann haben in der Regel die Eltern alles getan, dass die Kinder sich selbständig und verantwortlich in ihrem Umfeld bewegen können. So zumindest die Theorie.

Und jetzt? Was machen wir mit all den Erkenntnissen der letzten Monate? Weiter wie bisher? Anpassen und hoffen, dass sich das „alte“ Normal wiedereinstellt? Oder beibehalten, was noch gut ist und radikal ändern, wo es radikale Veränderung braucht? Und mit radikal meine ich hier ein Zusammenwirken mit gemeinsamen gesellschaftlichen Werten und dem gesunden Menschenverstand der Gemeinschaft. Ein Zusammenwirken, das Raum gibt, Neues entstehen zu lassen, das Platz schafft, die Potenziale der Menschen wertschätzend zu nutzen und das Wege aufzeigt, wie es machbar sein kann. Wege, die nicht durch das Denken „Das haben wir schon immer so gemacht!“ geprägt sind, sondern durch ein „ok, lasst es uns versuchen und das Experiment wagen!“

Und schon höre ich die aufschreien, die es schon immer genau wussten: „Typisches Beraterdenken!“ „Theoretiker“ „Weltverbesserer“….

Vielleicht ist es so. Aber vielleicht eben auch nicht. Und vielleicht wird es Zeit, dass wir aufhören über Richtig und Falsch zu diskutieren und uns mit den hauseigenen Dogmen der verschiedenen Denkrichtungen zu blockieren, nur um den eigenen Nutzen als gemeinschaftliches Ziel zu setzen. Ich glaube es geht um mehr. Und Corona ist nur das Streichholz, an einem schon seit langem schwelenden Prozess. Es ist nur der letzte Funke, der den Brand auslöst und uns alle in die Veränderung zwingt. Uns zwingt, den Schmerz zu spüren, dem wir schon so lange immer wieder ausgewichen sind, weil doch alles so schön bequem war.

Ja, die Welt wird sich verändern. Und ja, es werden Unternehmen in den nächsten Monaten untergehen, einfach verschwinden. Das wird so sein und war schon immer so. Das tut weh und es ist in jedem Fall tragisch- für die Unternehmer*innen und die Mitarbeiter*innen gleichermaßen. Aber es wird auch Neues entstehen. Es wird neue Möglichkeiten geben, neue Wege erkennbar werden, wenn wir beginnen, sie zu gehen.

Ich bleibe der festen Überzeugung, dass es ein „neues“ Normal geben wird. Ein „neues“ Normal, in dem wir alle für uns den passenden Raum finden und in dem der destruktiven Egozentrik immer weniger Platz gewährt wird. Und es wird ein „neues“ Normal geben, welches den Fähigkeiten neuer Unternehmer*innen Nährboden gibt. Es werden in Zukunft genau diese Fähigkeiten sein, die uns als Gesellschaft und Menschen in ein lebenswertes und von nachhaltig gesundem Wohlstand geprägtes Umfeld begleiten werden. Wann immer die Welt von Krisen betroffen gewesen ist, waren es im Nachgang Unternehmer*innen, die den Aufbruch gestaltet haben, die den Bewahrern und ewig gestrigen gezeigt haben, dass es auch anders gehen kann, dass es noch Möglichkeiten gibt.

In diesem Sinne wünsche ich uns allen, dass es uns gemeinsam gelingt, den Virus und all die damit zusammenhängenden Bedrohungen von Menschen, Gesellschaft und Wirtschaft zu überstehen. Das wir es schaffen, unsere Zuversicht zu behalten und mutig neue Wege beschreiten. Das wir der Einfältigkeit, den ewig gestrigen die Stirn bieten und den flachen Parolen der billigen Seelenfänger keine Resonanz geben. Zu leise für das Gute, das Wertvolle, das Wertschätzende aufstehen und sich einsetzen, das haben wir in unserem Land schon einmal gemacht, was unendlich vielen Menschen das Leben und ihr Zuhause genommen hat.

Packen wir es an und gestalten uns gemeinsam eine Zukunft, die uns und den folgenden Generationen ein selbstbestimmtes und gutes Leben ermöglicht.

Vor Jahren habe ich eine Weisheit für mich geschenkt bekommen, die aus meiner Sicht immer noch hoch aktuell ist. Gerade jetzt.

„Den Gehenden kommt der Weg entgegen!“

Eine chinesische Weisheit, die es einfach auf den Punkt bringt. Wer den Weg einfach losgeht, dem werden am Wegesrand die Dinge begegnen, die es für die nächsten Schritte benötigt. Und ja. Nach über 20 Jahren als Freiberufler weiß ich: Es ist so!

Jetzt heißt es noch ein paar Wochen aushalten, sich zurückziehen, die Gesundheit von sich und den anderen zu schützen, Kraft tanken, neue Ideen entwickeln und dann starten wir gemeinsam in die Zukunft, in das „neue Normal“!

Passt auf euch auf, bleibt gesund und lasst uns gemeinsam nach vorne schauen!

Euer / Ihr

Martin Bornemann

Jetzendorf,im Dezember 2020

(C) Martin Bornemann

Und daran soll was Gutes sein?! Retrospektive auf ein sperriges Jahr 2020

Im Januar dieses Jahres sah alles top aus: gut gefüllte Auftragsbücher, praller Kalender, starke Nachfrage meiner Kundinnen und Kunden. Jetzt im November, dem normalerweise umsatzstärksten Monat des Jahres, bröckeln die Aufträge, werden Trainings und Coachings storniert. Insgesamt fast vier Monate Lockdown, ob strong oder light, hinterlassen in diesem Jahr Spuren.
Gleichzeitig bleibt Zeit für ein Review auf ein außergewöhnliches und provokantes Jahr, das sich als sperrig erweist und gar nicht so leicht einordnen lässt

In meinem Beruf liegt die Aufgabe darin, den roten Faden im Durcheinander zu finden, so dass dann wieder Handlungsfähigkeit entstehen kann. Das will ich gern mal im Blick auf das Jahr 2020 versuchen und habe dies in fünf Thesen gepackt:

Leben ist unverfügbar und Sicherheit eine Illusion

Wie die meisten von uns bin ich in einer stabilen Zeit aufgewaschen, ohne Naturkatastrophen, Kriege oder ähnliches erleben zu müssen. Das macht geneigt zu glauben, dass alles im Leben sicher und machbar ist.
Wir alle sind untrainiert, wenn es darum geht, mit Unsicherheit und Gefahr umzugehen. Wir leben zum Glück in einem Staat, der für vieles sorgt, auch gerade jetzt.
Dieses Jahr macht uns deutlich, dass die Illusion der Sicherheit leicht wie eine Seifenblase platzen kann. Das Leben lässt sich nicht im Voraus festlegen und durchplanen. Es ist und bleibt unverfügbar, entzieht sich unserer Machbarkeit. Wir sind diesem Leben ausgesetzt.
Wenn wir diese Erkenntnis in unserem tiefsten Inneren akzeptieren, sind wir gleichzeitig in der Lage, hellwach und offen die Zeichen der Zeit wahrzunehmen, die uns wahrscheinlich den Weg in eine andere Zukunft weisen werden.

Die Irritation begleitet uns, Experimentieren heißt der Weg

Was ist richtig? Was ist falsch? Das fragen sich gerade viele Menschen.
Natürlich gibt es diejenigen, die schnelle Antworten liefern, die anscheinend genau wissen, wo es langgeht.
Ich habe – ehrlich gestanden – gerade nicht wirklich eine Antwort, und ich weiß auch nicht, ob das gerade hilfreich wäre. Sollten wir nicht eher die Chance wahrnehmen, mal innezuhalten und genauer wahrzunehmen: Was ist wirklich wichtig und wertvoll für uns, für unser Zusammenleben, für unser Wirtschaften, für unser Ökosystem?
Wenn die gewohnten Wege nicht mehr wie selbstverständlich funktionieren, sind wir verunsichert, manchmal sogar verstört. Das ist schwer auszuhalten.
Und gleichzeitig ist es gut. Denn nur so weiten wir den Blick nach rechts und links, unsere Wahrnehmung kann andere Signale aufnehmen und es wachsen uns Möglichkeiten zu, die wir vorher vielleicht nicht wahrgenommen oder sogar ausgeschlossen haben.
Und wir können im Ausprobieren entdecken, ob diese Möglichkeiten zu neuen Wegen ausgebaut werden können oder nicht. Das kann auch bedeuten, dass wir ein oder zwei Umwege in Kauf nehmen müssen – doch damit lernt man schließlich die Landschaft kennen, oder?

Nichts funktioniert ohne Gemeinschaft, das „ausschließlich ICH“ ist am Ende

Dieses Jahr hat uns wirkungsvoll und zugleich schmerzhaft deutlich gemacht, wie sehr wir Menschen auf freundliche, positive und vertrauensvolle Begegnungen angewiesen sind – und wie sehr wir darunter leiden, wenn wir diese nicht haben.
Gegenseitige Ablehnung, Kränkung, Verleumdung, Missachtung, verbale Angriffe und abwertende Ausdrucksformen mögen vielleicht das Ego einzelner Menschen und deren Status stabilisieren, einen Beitrag zu einem kooperativen und verbindenden Klima  leisten sie mit Sicherheit nicht.
Um Krisenzeiten miteinander wirkungsvoll zu bewältigen, brauchen wir genau den anderen Weg: Aufeinander hören, die Anderen verstehen wollen, die Eigenart eines jeden  respektieren, den Beitrag jedes einzelnen achten und kooperieren, damit wir gemeinsam gute Lösungen erringen.

Provokanter Perspektivenwechsel: Was ist systemrelevant?

Eine brisante Frage, die so manches in unserem Gesellschafts- und Wirtschaftssystem IN Frage stellt. Doch für mich ist es DIE Frage, wenn es um die zukünftige Form unserer Gesellschaft und unseres Miteinanders geht:
Was ist für unser Zusammenleben wirklich (system)relevant?
Wenn wir auf dieses Jahr schauen, dann könnte die Antwort lauten: Gesundheit, Bildung, Fürsorge für Kinder und Ältere, Gemeinschaft, Begegnung, existenzielle (Grund-)Sicherung.
Haben wir aus diesem Jahr etwas gelernt? Bauen wir aus diesen Antworten jetzt endlich adäquate und stimmige Systeme, die den Menschen in seiner Würde und seinen wesentlichen Bedürfnissen in den Mittelpunkt stellen?

Ein zukunftsweisender Schritt: Gelebte Partnerschaftlichkeit auf allen Ebenen

Menschen unterschiedlichster Couleur, viele Sichtweisen, verschiedene Interessen: Dies alles zu einer funktionierenden Gemeinschaft zusammenfügen – dafür brauchen wir Diversität und Partnerschaftlichkeit in allen Entscheidungs- und Handlungsgremien. Diese paritätisch zu besetzen, sehe ich als eine der wichtigsten zukünftigen Aufgabe in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Hier haben wir noch ziemlichen Nachholbedarf. Und auch daran, wieder deutlicher eine offene, kontroverse und gleichzeitig konstruktive Diskussions- und Auseinandersetzungskultur zu leben – und keinen Lobbyismus, der bereits in Hinterzimmern die Dinge geregelt und Koalitionen geschmiedet hat.
Schaffen wir also Gelegenheiten und Gemeinschaften, wo Menschen sich FÜR ihre Werte stark machen und um deren Verwirklichung ringen können – ohne GEGEN Andere auszuteilen oder diese abzuwerten. Das ist gelebte Partnerschaftlichkeit, die Menschen auf Augenhöhe miteinander in Aktion bringt.

Vor sechs Jahren haben wir in unserem Unternehmernetzwerk Pro Wirtschaft Pfaffenhofen diesen Ansatz schon in den drei Werten MENSCHLICH – KOOPERATIV – ZUKUNFTSGESTALTEND auf den Punkt gebracht. Nach diesem Jahr setze ich ein Ausrufezeichen dahinter und sage klar: Genau so geht der Weg weiter!

Nein, ich singe nicht im Chor über zoom – Nichtstun ist die neue Challenge!

Gestern erzählt mir eine Freundin, dass die wöchentliche Probe ihres Gospelchores jetzt per Videokonferenz stattfindet – die Leiterin spielt zuhause am Klavier und alle anderen haben die Mikrofone ausgeschaltet und singen die angezeigten Noten mit. Ich stutze zuerst. Ich höre also nur das Klavier und mich, sehe die anderen, wie sie die Münder bewegen? Ganz ehrlich: So langsam wird mir suspekt, was wir alles so anstellen.

Ok, wir haben alle keine Erfahrung mit solchen Zeiten. Wir versuchen, den Alltag so gut wie möglich weitergehen zu lassen, halten den Anschein der Normalität jetzt digital aufrecht.

Doch mal im Ernst: Das ist doch nicht die Realität!
Warum trauen wir uns nicht einfach mal zu sagen: Gut, Chor findet gerade nicht statt, das ist schade und fehlt mir sehr!? Ich höre bereits die ersten, die erzählen, dass sie keine Lust mehr auf Video- und Telefonkonferenzen haben, dass die Besprechungen sie ermüden – und dann würden wir auch noch die Freizeit (=freie Zeit) in diesen Raum verlegen?
Leute, sorry, da komm ich nicht mehr mit!

Wie kommt es, dass wir lieber in den digitalen Stress gehen, als einfach mal nichts zu tun?

Das erlebe ich gerade täglich im Selbstexperiment, weil ich coronabedingt ja auch viel freie Zeit zur Verfügung habe:

  1. Nichtstun hat keinen Wert in unserer Gesellschaft – das wird gleichgesetzt mit Faulheit und mangelnder Selbstdisziplin. Oder wie meine Mutter erst sagte: „Wie, du hast nichts getan? Es gibt doch immer etwas zu tun!“
  2. Wer viel zu tun hat, hat in unserer Gesellschaft Ansehen – was bin ich also wert, wenn ich (gerade mal) nichts tue?
  3. Im Nichtstun bin ich mit mir selbst konfrontiert – ich spüre vielleicht Unzufriedenheit, Unstrukturiertheit, Ratlosigkeit, Traurigkeit, Sinnlosigkeit….
    O nein, bloß schnell weg damit, schnell etwas „machen“, damit ich das nicht fühlen muss.

Natürlich kann ich aufräumen, ausmisten, Liegengebliebenes aufarbeiten, neue Projekte anstoßen, schon mal für das Danach vordenken. Doch was wäre, wenn ich das nur einen halben Tag mache – und dann mich im Nichtstun übe?

Ich wünsch dir (und mir) den Mut, einfach mal nichts zu tun und dich hängen zu lassen – und voller Spannung zu warten, was geschieht. Denn das wirklich Neue entsteht niemals in gewohnten Bahnen, sondern dort, wo wir uns auf neue Erfahrungen einlassen!

Krieg oder Krise? Warum Sie den Unterschied kennen sollten

Es schreckt mich auf, dass in Zeiten wie diesen sehr schnell Vokabular aus der Kriegssprache auftaucht: hamstern, Verschwörung, Schlachten, der Krieg gegen das Virus, Saboteure, Notstandgesetze, Ermächtigung … Worte, die mich aufwühlen und Unwohlsein auslösen.

Es macht mir Bauchweh, weil hier zwei wesentliche Dinge durcheinandergebracht werden: Wir sind nicht im KRIEG, sondern in einer KRISE – und die braucht völlig andere Bewältigungsstrategien.

In KRIEGSZEITEN geht es um richtig und falsch, und „falsch“ sind dann immer die anderen: Sie sehen Dinge falsch, denken falsch über gewisse Angelegenheiten, machen Dinge falsch. Wir trauen anderen nicht mehr über den Weg, hören auf, unseren Mitmenschen gute Absichten zu unterstellen. Menschen teilen unterschiedlichste Theorien, Ansichten, Meinungen, tragen Wissen und Halbwissen zusammen – und wissen bald selbst nicht mehr so genau, was jetzt gut recherchierte Informationen sind, die uns weiterhelfen und was FakeNews, die vielleicht dazu dienen, dass Menschen sich in Szene setzen oder Unruhe und Verwirrung stiften. Und die Gefahr dabei ist, dass wir uns mit Dingen beschäftigen, die für die Bewältigung einer Krise eben nicht hilfreich sind.

WIR BEFINDEN UNS IN EINER KRISE, NICHT IN EINEM KRIEG

Das griechische Wort „krisis“ heißt nichts anderes als „entscheidende Wendung“. Wir erleben eine entscheidende Wendung, wenn bestehende Strukturen, unser gewohnter Alltag, unsere Systeme in Frage gestellt werden und wir nicht mehr so weitermachen können wie bisher. In Krisenzeiten sind wir von einem Moment auf den anderen einer Situation ausgesetzt, von der wir noch nicht wissen, ob wir sie bewältigen können und wie das dann ausgehen wird.

DOCH WAS IST DAS WIRKLICH HERAUSFORDERNDSTE IN EINER KRISE?

Es ist und bleibt das Gefühl der Ohnmacht: „Ich bin verdammt, das hier zu erleben, das hier aushalten zu müssen!“ – und ich kann nichts, aber auch gar nichts tun, auch nicht mit all meinen Gedanken, Theorien und Deutungen, um das Ganze ungeschehen zu machen.

Ich muss zugestehen, dass mir im Moment die Kontrolle über die Dinge aus der Hand genommen ist.  So ist das, wenn ich plötzlich einer schweren Krankheit, dem Tod eines lieben Menschen, einem Unfall oder einem anderen Schicksalsschlag ausgesetzt bin – so ist es auch jetzt in dieser gesellschaftlichen, weltweiten Corona-Situation.

IN KRISENZEITEN brauchen wir im Grunde nur zwei Dinge: zum einen Rückzugsmöglichkeiten, um unseren Gefühlen und der Lage Raum zu geben und uns neu zu sortieren. Und zum anderen sind es Menschen, die zuhören, beistehen, Halt geben, Trost spenden und uns daran glauben lassen, dass das Leben weitergeht – wenn auch vielleicht anders als zuvor.

Die krisis, die „entscheidende Wendung“ liegt bei uns – wir haben die Wahl, aus welcher Haltung heraus wir die Situation bewältigen wollen.

Klappe halten! 10 Gründe, warum Meetings Denkpausen brauchen

Denken bestimmt unser Handeln – hört sich logisch an, oder?
Wenn wir uns also wenig bis gar keine Zeit gönnen, um nach- oder vorzudenken, wird´s im Machen garantiert ein Minus an Qualität und Nachhaltigkeit geben.

Hier nun die zehn guten Gründe, warum Nachdenk-Pausen gerade in Meetings essentiell sind.

1.    Aufmerksamkeit schenken
Den eigenen Gedanken und denen anderer auf die Spur zu kommen, mit Interesse und Offenheit zuzuhören – das geschieht mit Pausen und lässt Respekt wachsen.

2.    Gelassenheit begründen
Wir befreien uns von Hetze und Drängelei und schaffen die Basis für durchdachte Entscheidungen. Dann brauchen wir hinterher nicht zu stöhnen: „Hätten wir bloß nochmal darüber nachgedacht …“

3.    Gleichwertigkeit schaffen>
Hinhören ist Wertschätzung und sagt: „Du hast etwas Wesentliches beizutragen“ – auch die Stillen erhalten auf diese Weise Zeit und Raum.

4.     Informationen verfügbar machen
Wer ausreichend Zeit hat, um über eine Sachlage nachzudenken, kann Informationen zur Verfügung stellen, die ein genaueres Bild der Realität ermöglichen.

5.    Unterschiedlichkeit nutzen
Die Verschiedenheit von Menschen bringt diverse Aspekte an einer Sache zum Vorschein – warum also nicht alle in ihrem Tempo zu Wort kommen lassen, gern auch mit Denkpausen dazwischen? Manch gute Idee ist durch Unterbrechungen schon im Keim erstickt worden …

6.    Intuition aktivieren
 Manche Entscheidungen wären anders verlaufen, wenn wir auf unser „Bauchgefühl“ gehört hätten. Denk-Pausen machen das möglich.

7.    Gefühle zulassen
Wer Gefühle zulässt, macht es sich selbst leichter – das innere OK ist leichter wahrnehmbar und Irritation oder Zweifel haben schon vor manchem Fehler bewahrt.

8.    Ermutigungszonen einrichten
Es geht in Meetings nicht um Wettbewerb, sondern um den besten Weg für die gemeinsame Sache. Gemeinsames Nachdenken ist der beste Weg zu wirklicher Kooperation.

9.    Ideen sprudeln lassen
Die besten Ideen tauchen oft dann auf, wenn wir innehalten, wenn wir Luft holen, wenn wir mal kurz still sind.  Warum also nicht mal bewusst Pausen einlegen?

10. Ressourcen an die richtige Stelle bringen
Wieviel Energie und Zeit bringen Sie auf, um Fehler zu korrigieren, die aus übereilten Entscheidungen heraus gemacht werden? Wenn wir nur einen Teil der Zeit in mehr Nachdenk-Qualität investieren, bleibt sogar noch Power für neue Ideen!

„Warum checken die das nicht?“ Wie du deine Mitarbeiter mit Ansagen sprachlos machst

Hallo Daniel,

danke, dass ich heute so einen fantastischen Einblick in eure Produktion und Projektarbeit bekommen konnte. Ich bin echt baff, wie ihr die Anforderungen eurer Kunden in Idee und Tat umsetzt. Und es war deutlich zu erkennen, wie sehr deine Teammitglieder dich schätzen und deinen Lead achten.
Im anschließenden Gespräch konnte ich allerdings deine Unruhe wahrnehmen, weil du merkst, dass die Kommunikation nicht so leicht flutscht, wie du es gern hättest.
Du gibst viele Informationen frei, willst Transparenz schaffen. Für Fragen bist du jederzeit offen. Deine Mitarbeiter sollen so viel Freiraum wie nur möglich haben. Du stattest sie mit allen Zahlen, Daten, Fakten aus, die sie brauchen. Projektsoftware, Whatsapp, Info-Boards – durchdachte Wege, die du da aufmachst.
Und dennoch, so erzählst du mir, kommt es immer wieder zu Missverständnissen und Auseinandersetzungen. Leute gehen andere Wege, als du es erwartet hast. Manche sprechen sich mit anderen zu wenig ab. Es wird besprochen und dennoch kommt es nicht zum gewünschten Ergebnis: „Jetzt kommunizieren wir so viel und irgendwie funktioniert´s einfach nicht.“ Das nervt, sagst du.

Du ahnst wahrscheinlich, worauf ich jetzt hinaus will, stimmts? Es ist mein alter Satz, den ich wie ein Mantra vor mir hertrage (und der mir gerade in Zeiten von New Work und agilem Arbeiten immer wichtiger wird):

Kommuniziert ist noch lange nicht verständigt!

In meiner Tätigkeit erlebe ich das oft: Da werden Monologe gehalten, Kommunikation wird dann eine Art Einbahnstraße. Leute geben Infos raus oder „machen Ansagen“. Sie teilen etwas mit, sie sprechen über Dinge, sie demonstrieren ihr „Was machst du gerade?“ auf facebook, twittern Statements, chatten … und glauben dann, dass alles damit gesagt ist.

Doch wo bleibt die Resonanz? Wo macht es Klick, so dass Verbindung entsteht?

Verständigung ist eben ein bisschen mehr als Kommunikation. Sie passiert dort, wo wir von unserem Gegenüber Resonanz bekommen oder uns gezielt holen. Wir reden eben nicht vom Gleichen, wenn wir dasselbe sagen.

Mehr Dialog statt Ansagen – so gehts:

–        Um die Sichtweise des anderen bitten: „Wie siehst du das Ganze?“ „Hast du Bedenken, die wir berücksichtigen müssen?“

–        Eigene Irritation wahrnehmen und aussprechen: „Ich bin mir gerade nicht sicher, ob rüberkommt, was ich sagen will“

–        Rückmeldung einholen: „Was ist aus deiner Sicht der nächste Schritt?“

–        Nachfragen, was der andere aufgenommen hat: „Was ist bei dir angekommen, worum es mir geht?“

–        Miteinander überlegen, was jede und jeder braucht, damit Missverständnisse in Zukunft vermieden werden können: „Wie vermeiden wir
          in Zukunft, dass wir aneinander vorbeireden?“

–        „Waber-Wörter“ konkretisieren: „Was genau meinst du, wenn du sagst: Wir müssen effizienter arbeiten?“

Nur wenn du eine menschliche Verbindung aufbaust, werden deine Mitarbeiter „verstehen“. Nur wenn sie verstehen, werden sie tragfähige Ergebnisse hervorbringt. Nur wenn du sichergehst, dass du dich klar ausgedrückt habst. Dass der andere dich verstanden hat. Dass wir das Gleiche meinen, wenn wir über eine Sache sprechen.

Wenn du den Eindruck hast, dass es bei euch manchmal daran scheitert, dann dann lass uns das gern im nächsten Team-Coaching thematisieren.

Bis dahin eine gute Zeit

Marianne

Schluss mit Harmoniegesäusel! So machst du klar, wofür du stehst.

Hallo Emma,

dieser Konflikt geht dir echt an die Nieren, stimmts? Du bist sprachlos und ringst darum, ob und wie du das Ganze ansprechen sollst. Das kann ich gut verstehen, weil es ja auch zur anderen Seite ausschlagen kann.

Ansprechen oder Mund halten – das ist deine Frage!

Da ist deine Kollegin auf der Station, die immer wieder ihre Dienste tauscht, so dass es am besten ihrem Freizeitplan entspricht. Sie lässt außer Acht, dass die fachliche Besetzung auf der Intensivstation stimmen muss. Das machst deinem Ärger Luft, weil dir das Wohl der Kinder auf eurer Station am Herzen liegt und du selber die Last der Verantwortung spürst: Hier muss jede und jeder Hand anlegen, ihr seid extrem gefordert, weil es stets um Leben und Tod geht. Du schreibst, das geht einfach nur, wenn auf die Kollegen voll und ganz Verlass ist.

Jetzt allerdings quält dich die Frage, wie du mit dem Konflikt am besten umgehen sollst. Du hast bereits versucht, das Thema im Team anzuschneiden, bist jedoch nicht durchgekommen. Du hast Sorge, dass das Team-Klima schlechter wird, wenn du mit der Kollegin sprichst, weil zwischen euch schon ziemliche Spannung spürbar ist. Es spricht schon mal sehr für dich, dass du nicht einfach nur rot siehst, sondern die Wirkung im Blick hast.

Unausgesprochenes wirkt – geht unter die Haut.

Unausgesprochenes liegt uns schwer im Magen, drückt uns nieder, geht an die Nieren. Da schnürt es einem dem Hals zu und macht Kopfzerbrechen. Unsere Sprache bringt es drastisch auf den Punkt: Unausgesprochenes wirkt – und zuallererst immer auf uns selber. Nicht gerade wohltuend!

Viele Leute sagen mir dann allerdings: Aber ich kann doch nicht alles aussprechen, was zwischen uns nicht stimmt! Dann streiten wir ja nur noch. Dazu sage ich unumwunden:

Unausgesprochenes wirkt immer. Dann lass es lieber gut ausgesprochen wirken!

Ich darf diesen „magic moment“ des Aussprechens in der Konfliktklärung immer wieder erleben: Menschen sagen, was ihnen gegen den Strich geht, was ihnen wirklich wichtig ist, was für sie so einen hohen Wert darstellt – und dass sie nicht darauf verzichten wollen. Das ist nicht leicht, doch immer wieder beeindruckend.

Vor allem dann, wenn sich beim Gegenüber bewegt: Mehr Aufmerksamkeit, mehr Achtung, mehr Verbundenheit. Plötzlich Augenkontakt, Wahrnehmen, Offenheit.

Es ist dieser Moment, der deutlich macht: Ja, ich verstehe, worum es dir geht – und kann es anerkennen.

Echte Harmonie und wirkliche Verbundenheit passiert ausschließlich dort, wo Menschen miteinander sprechen und sich austauschen. Worte finden für das, was ihnen wertvoll ist. Dafür einstehen. Sich offen zeigen, dass sie verletzlich sind, wenn ihre Werte nicht zum Zug kommen.

Mut zum Klartext – NICHT GEGEN den anderen, sondern FÜR meine Werte!

Ich weiß auch, dass die Angst groß ist vor diesem Schritt: Wie wird der andere es aufnehmen? Kann ich mich so ausdrücken, dass es nicht ein Angriff wird, sondern wirklich ein Einstehen für mich? Werden wir anschließend noch gut miteinander klarkommen? Oder wird das Team-Klima unwiderruflich geschädigt?

Das alles sind wichtige Bedenken und gleichzeitig gute Punkte zur Vorbereitung, die ich dir  zusammenfassen will.

So schaffst du echte Harmonie:

  • Mach dir bewusst, worum es dir wirklich geht: Was sind deine wichtigsten Werte, für die du hier eintreten möchtest?
  • Sei dir im Klaren darüber, dass deine Kollegin die Sache vielleicht völlig anders erlebt und bewertet – und lass dir erzählen, was ihre Sicht der Dinge ist.
  • Wenn du das Gespräch mit der Kollegin suchst, dann erzähl ihr von deiner Unsicherheit. Sprich davon, dass es für dich eine Mutprobe bedeutet, das anzusprechen. Dass du mit ihr gemeinsam eine gute Lösung finden möchtest. Dass dir wichtig ist, die Dinge nicht unausgesprochen zu lassen …
  • Wenn du mit ihr sprichst und es keine Verständigung gibt, dann hol dir Hilfe. Lass dich von einer dritten Person unterstützen, z.B. eurer Stationsleitung, jemanden aus dem Personalrat, einer externen Person. Diese soll nicht Partei ergreifen, sondern euch beiden helfen, dass ihr einander zuhört und euch auf die jeweilige Sichtweise des anderen einlassen könnt. Also jemand, der moderiert und nicht dirigiert.

Lass dir bloß nicht weismachen, dass das ein einfacher Schritt ist, so nach dem Motto: Hier hast du mal einen Ablaufplan, halt dich dran und dann klappt das schon. Es wird immer Angst machen, wenn wir uns verletzlich zeigen – und jede Menge Mut brauchen.

Doch ich mach mich für dieses Thema stark, weil ich aus Erfahrung weiß: Es lohnt sich!

Wenn du also auf wirkliche Harmonie Wert legst, dann nimm deinen Mut zusammen und sprich aus, was dich bewegt. Du weißt ja, welches Wort entsteht, wenn du beim Wort „Wut“ den ersten Buchstaben auf den Kopf stellst, oder?

Marianne