Hineinspüren, hineinhören, hineinleben – drei Strategien, um mit Ambivalenzen gelassener umzugehen

Leben ist Spannung – oft zwischen zwei Polen, die unvereinbar erscheinen:

  • Für welchen Beruf soll ich mich entscheiden?
  • Will ich Kinder?
  • Soll ich den nächsten Karriereschritt machen oder möchte ich lieber mehr Zeit mit meiner Familie verbringen?
  • Will ich mich jetzt schon fest niederlassen, ein Haus kaufen – oder doch lieber unabhängig bleiben und die Welt bereisen?
  • Oder auch ganz einfach: Mach ich heute Sport oder lieber einen kuscheligen Sofa-Lese-Abend?
  • Ich habe heute Abend zwei Einladungen, welche nehme ich an?

Es gibt viele solcher Fragen, da hat wohl jede und jeder von uns seine und ihre Spezialitäten … gerade in unserer Zeit, die mit tausend Möglichkeiten lockt und uns permanent verspricht, dass alles irgendwie möglich ist.  Das macht Druck, es schaffen zu müssen – und löst bei vielen Unwohlsein, innere Spannungen, Stress und Ängste aus.

Bitte keine unguten Gefühle!

Doch genau das will ich ja vermeiden: Bitte keine solchen Gefühle, bitte keine Unsicherheiten, bitte keinen offenen Ausgang. Am liebsten schön klar und geordnet. Dann lieber abwarten, aussitzen, verharren. Oder doch nicht?

Ambivalenz bedeutet „doppelwertig“

„Life is a bitch!“ – dauernd setzt es mir neue Optionen vor die Nase, bringt mich in die verzwickte Lage, entscheiden zu müssen. Es versetzt mich sozusagen in Dauer-Ambivalenz.

Damit ist schon gesagt, worum es geht: Da sind zwei Werte, die mir beide wichtig sind. Etwas, worauf ich Wert lege, was mir auf beiden Seiten Erfüllung verspricht.

Und gleichzeitig erlebe ich die zweite Bedeutung des Wortes „Ambivalenz“, die heißt nämlich „zwiespältig“.  Ich spüre im Innersten genau, dass ich beide Werte nicht so einfach oder gar stressfrei miteinander verbinden kann. Dass Entscheidung auch immer heißt, dass ich das eine vom anderen scheiden muss.

Ambivalenz hat mit Gewinnen und Verlieren zu tun. Egal, welchem Wert ich den Vorzug gebe, ich werde meinem Leben etwas Erfüllendes hinzufügen. Und gleichzeitig hat jede Erfüllung einen Preis, trägt den Verlust des anderen in sich. Das eine erfüllt uns, das andere lässt uns trauern.

Wie gehe ich bloß mit dieser Ambivalenz um?

Zuerst einmal: Ich weiß selten wie Dinge ausgehen, ich kann ja nicht in die Zukunft sehen. Ich kann zwar jede Menge Positiv- und Negativlisten schreiben, Gewinne und Verluste einander gegenüberstellen – doch letztendlich ist der Ausgang einer Entscheidung immer ungewiss.

Dreimal „hinein“

So komme ich letztendlich nicht drumherum: Leben ereignet sich erst dann, wenn ich mich mitten hineinbegebe:

  • Hineinspüren

Wenn ich mich zwischen Sofa-Lese-Abend und sportlicher Aktivität entscheiden will, frage ich mich, warum ich eins von beiden möchte: Welches Bedürfnis erfüllt sich dann für mich?

Sofa-Lese-Abend: Entspannung genießen, mich erholen, regenerieren, Kreativität, neues Wissen …

Sportliche Aktivität: Power spüren, Kraft auftanken, mich gesund fühlen, stolz auf mich sein …

Und dann Check 1: Bei welchem Bedürfnis entspannt sich mein Körper und signalisiert mir ein klares JA?

  • Hineinhören
    Welche der beiden Seiten beschenkt mich mit Lebensqualität? Wobei fühle ich mich erfüllter, beglückter?

Und dann Check 2 – 10/10/10: Welche Entscheidung werde ich in 10 Minuten, in 10 Wochen, in 10 Monaten immer noch als erfüllend bewerten? (Wenn es um große Lebensentscheidungen geht, dann nehme ich gern noch die 10 Jahre hinzu 😊).

  • Hineinleben

Jetzt los, Erfahrungen machen – ohne Scham, schlechtes Gewissen, ohne Reue die Wahl ausleben, die sich mir eröffnet hat.

Und während ich im Tun bin, mache ich Check 3: Es spürt sich gut und richtig an, heute Abend auf dem Sofa zu bleiben? Dann genieße ich das in vollen Zügen.

Oder fühlt es sich so an, dass ich wohl doch dem inneren Schweinehund nachgegeben habe? Dann nehme ich das zur Kenntnis, geh beim nächsten Mal den anderen Pfad – und lass mich gern wieder von meinen Erfahrungen überraschen.

Meine Schlussfolgerung, wenn ich mal wieder durch bin durch den Ambivalenz-Parcours?
Es geht nicht um richtig und falsch, es geht um das Gespür für Lebensqualität und in Erfahrungen zu erleben, was mich wirklich erfüllt.