Nein, ich singe nicht im Chor über zoom – Nichtstun ist die neue Challenge!

Gestern erzählt mir eine Freundin, dass die wöchentliche Probe ihres Gospelchores jetzt per Videokonferenz stattfindet – die Leiterin spielt zuhause am Klavier und alle anderen haben die Mikrofone ausgeschaltet und singen die angezeigten Noten mit. Ich stutze zuerst. Ich höre also nur das Klavier und mich, sehe die anderen, wie sie die Münder bewegen? Ganz ehrlich: So langsam wird mir suspekt, was wir alles so anstellen.

Ok, wir haben alle keine Erfahrung mit solchen Zeiten. Wir versuchen, den Alltag so gut wie möglich weitergehen zu lassen, halten den Anschein der Normalität jetzt digital aufrecht.

Doch mal im Ernst: Das ist doch nicht die Realität!
Warum trauen wir uns nicht einfach mal zu sagen: Gut, Chor findet gerade nicht statt, das ist schade und fehlt mir sehr!? Ich höre bereits die ersten, die erzählen, dass sie keine Lust mehr auf Video- und Telefonkonferenzen haben, dass die Besprechungen sie ermüden – und dann würden wir auch noch die Freizeit (=freie Zeit) in diesen Raum verlegen?
Leute, sorry, da komm ich nicht mehr mit!

Wie kommt es, dass wir lieber in den digitalen Stress gehen, als einfach mal nichts zu tun?

Das erlebe ich gerade täglich im Selbstexperiment, weil ich coronabedingt ja auch viel freie Zeit zur Verfügung habe:

  1. Nichtstun hat keinen Wert in unserer Gesellschaft – das wird gleichgesetzt mit Faulheit und mangelnder Selbstdisziplin. Oder wie meine Mutter erst sagte: „Wie, du hast nichts getan? Es gibt doch immer etwas zu tun!“
  2. Wer viel zu tun hat, hat in unserer Gesellschaft Ansehen – was bin ich also wert, wenn ich (gerade mal) nichts tue?
  3. Im Nichtstun bin ich mit mir selbst konfrontiert – ich spüre vielleicht Unzufriedenheit, Unstrukturiertheit, Ratlosigkeit, Traurigkeit, Sinnlosigkeit….
    O nein, bloß schnell weg damit, schnell etwas „machen“, damit ich das nicht fühlen muss.

Natürlich kann ich aufräumen, ausmisten, Liegengebliebenes aufarbeiten, neue Projekte anstoßen, schon mal für das Danach vordenken. Doch was wäre, wenn ich das nur einen halben Tag mache – und dann mich im Nichtstun übe?

Ich wünsch dir (und mir) den Mut, einfach mal nichts zu tun und dich hängen zu lassen – und voller Spannung zu warten, was geschieht. Denn das wirklich Neue entsteht niemals in gewohnten Bahnen, sondern dort, wo wir uns auf neue Erfahrungen einlassen!